Yangon, 11.11.2003
Auch heute trübt keine Wolke den Himmel über Yangon. Das ist auch gut so, denn heute haben wir jede Menge vor!
Als uns Mi Mi und der Fahrer abholen, müssen wir auf dem Weg zum Auto erst einmal Umwege gehen, da seit gestern abend ein thailändischer Minister auf Staatsbesuch hier ist. Bereits gestern abend gab es in unserem Hotel ein Riesenaufgebot an Militär, spalierstehenden Wachen in Uniformen, die wohl zur Zeit der burmesischen Könige Mitte des 19. Jahrhunderts im Schwange waren, und Securityleuten. Auch heute wird wieder das gleiche Brimborium veranstaltet. Als wir dennoch endlich das Auto erreicht haben, führt uns unser erster Weg zu einem Tempel in der Nähe des Flughafens. Dieser wurde um eine mehrere Meter hohe Marmorbuddhastatue gebaut, die vor wenigen Jahren gestiftet worden ist. Obwohl die Baumaterialien ziemlich viel Beton enthalten und die "Vergoldung" an den Gebäuden nur Goldbronzefarbe ist, wirkt die Anlage, die in weiß und goldfarben gehalten ist, gut gelungen. Sie wird auch schon stark von betenden Menschen frequentiert. Touristen sieht man dagegen kaum. Wir halten uns eine Weile in dem Tempel auf, dann fahren wir zu unserem nächsten Ziel. Die Regierung von Myanmar bekam vor einiger Zeit zwei weiße Elefanten geschenkt. Weiße Elefanten (also Albinos) sind in ganz Ost- und Südostasien sehr wertvoll und prestigebringend. Deshalb werden diese Tiere, zusammen mit vielen Fotos von den Schenkungszeremonien, hier ausgestellt. Sie haben zwei normale, graue Elefanten als Gesellschaft. Fotografieren ist hier übrigens verboten.
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Der Tempel des Marmorbuddha.
Unsere nächste Station ist ganz in der Nähe: Ein Gelände, auf dem viele Gärtnereien untergebracht sind. Sie sehen so ähnlich aus, wie Gärtnereien bei uns, nur daß in dem hier herrschenden Klima die Gewächshäuser natürlich unnötig sind. Alles befindet sich in offenen, luftigen Hallen. Viele Pflanzen, die bei uns als exotisch in der Gärtnerei verkauft werden, stehen hier als einheimische Pflanzen herum und dazu gibt es auch noch einige Pflanzen, die bei uns unbekannt sind. Da meine Freunde Adelheid und Klaus große Zimmerpflanzenfans sind, kommen sie hier voll auf ihre Kosten, und so kommen interessante Gespräche zustande. Auch ich erfreue mich hier an der Fülle interessanter Pflanzen, obwohl ich zuhause keine Zimmerpflanzen habe.
Für Mi Mi ist das hier offenbar "Family Business", denn eine der Gärtnereien gehört einem ihrer Cousins, und auch sonst scheinen noch einige ihrer Verwandten hier unterwegs zu sein. Allerdings ist das ganze keine verkappte Verkaufsveranstaltung, denn sie weiß selbst gut genug, daß man im Flugzeug keine Blumentöpfe mitnehmen kann und wiegelt sogar selbst unaufgefordert ab, als wir zum Kauf aufgefordert werden.
Nachdem wir einige Geschäfte angesehen haben, machen wir Rast in einem kleinen Teehaus, das sich auch auf dem Gelände befindet. Wir trinken schwarzen Tee. Mi Mi fragt mich, ob ich mal ein ganz typisches burmesisches Frühstück probieren will, Mohinga genannt. Da kann ich vor lauter Neugier natürlich nicht Nein sagen. Ich bekomme eine leicht scharfe, leicht säuerliche Suppe mit Reisnudeln, Linsen, gelben Bohnen und kleinen Talern aus kroß gebratenem Gemüse. Es schmeckt sehr gut.
Nach dieser Pause wollen wir zu einer weiteren Pagode aufbrechen. Auf dem Weg dorthin sehen wir jedoch einen sehr schönen Tempel. Als wir Mi Mi danach fragen, weist sie uns darauf hin, daß wir ihn auch besichtigen können, wenn wir möchten. Das tun wir doch glatt und es lohnt sich. Die eigentliche Attraktion hier ist die Kopie einer Buddha-Zahnreliquie. Der darum herum gebaute, ganz neue Tempel ist ein typischer Pahto, im gleichen Stil gebaut wie zum Beispiel der berühmte Ananda-Tempel in Bagan. Der Tempel ist hell und sowohl innen als auch außen sehr schön. Umrundet man im Uhrzeigersinn den zentralen Schrein, sieht man natürlich, wie immer, viele Donation Boxes. An einer davon steht aber etwas von "TV". Bald sehen wir auch schon einen japanischen Fernseher mit Flachbildschirm zwischen Schrein und Donation Box. Wir fragen Mi Mi, was es damit auf sich hat. Sie erklärt uns, daß bei Festen die Zahnreliquie öffentlich gezeigt wird. Dies wird dann im Fernsehen übertragen, damit alle Gläubigen diese heilige Reliquie sehen können. In der Donation Box wurde (und wird, denn er kann ja auch mal kaputt gehen) für den Fernseher gesammelt.
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Der Tempel der Zahnreliquie.
Nachdem wir uns eine Weile hier umgesehen haben, fahren wir zu einem weiteren Tempelgelände. Hier gibt es, neben einer kleinen vergoldeten Stupa, die gerade restauriert wird, viele Statuengruppen, die Szenen aus dem Leben und der Lehre Buddhas darstellen. Diese sollen wohl dazu dienen, einfachen Leuten, die nicht lesen und schreiben können, anschaulich und realistisch diese Dinge zu erklären. Für unsere Augen wirkt das ganze sehr comicartig und dadurch reichlich kitschig. Nichtsdestoweniger hat diese Anlage ihren Reiz. In einigen der Tempelhallen fällt uns etwas auf, worauf wir schon gestern gestoßen sind: An sehr vielen Schreinen hängen Küchenuhren mit Quarzlaufwerk. Wir fragen Mi Mi danach. Sie erklärt uns, daß viele Leute Astrologen und Wahrsager aufsuchen, die ihnen vorhersagen, welche schlechten Taten sie begehen werden, um schlechtes Karma anzusammeln, und wieviel sie spenden sollten, um durch diese guten Taten die bösen zu kompensieren. Arme Leute spenden meist Lebensmittel, begüterte Leute sollten schon etwas wertvolleres spenden, und da seien Uhren sehr beliebt.
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Religiöse Trivialästhetik.
Auf dem Gelände befindet sich noch etwas interessantes: Ein großes Krokodil aus Stein, in das man hineingehen kann. Man betritt es etwa dort wo der Schwanz anfängt und geht dann beidseitig an Kopf und Rumpf entlang zurück zu diesem Eingang. Auf mehreren beschrifteten Bildtafeln wird die Vorgeschichte von König Okkalapa erzählt, der die Shwedagon Paya vor 2500 Jahren gestiftet haben soll. Es ist eine mythische Geschichte, wie man sie bei vielen Naturvölkern findet. Eine Frau bekommt eine große Frucht aus den Mangroven und aus dieser Frucht wird wundersamerweise ein Mädchen geboren. Ein Schutzgeist nimmt sich dieses Mädchens an, und als sie zu einer schönen jungen Frau herangewachsen ist, kommt dieser Schutzgeist in Gestalt eines jungen Mannes auf die Erde. Das Mädchen wird von ihm schwanger, er macht sich aus dem Staub und tritt nurmehr über einen Botenpapagei mit ihr in Verbindung, der wiederum von dämonischen Raubvögeln gejagt wird. Nach vielen Verwicklungen bringt das Mädchen jedenfalls besagten König Okkalapa zur Welt. All dies wird hier haarklein beschrieben. Nach diesem interessanten Ausflug in die Mythologie gehen wir wieder zurück zum Auto.
Wir fahren zur "Weltfriedenspagode", die 1952, zu der Zeit als der Burmese U Thant UNO Generalsekretär war, gestiftet und dem Weltfrieden gewidmet wurde. Sie hat nicht, wie gewohnt, vier Eingänge, sondern fünf, weil hier zusätzlich noch Buddha Maitreya, der zukünftige Buddha, verehrt wird. Unweit der Pagode befindet sich eine große, in einen künstlichen schwarzen Felsen gehauene Versammlungshalle, die gerade restauriert wird, Auf sie soll angeblich 1988 von Koreanern ein Bombenanschlag verübt worden sein und seither ist sie nicht mehr öffentlich zugänglich. Somit sehen wir auch nicht viel von ihr und sie bleibt uns nur wegen der übermäßig vielen kleinen scharfen Kiesel auf dem Zugang in Erinnerung, die das an allen buddhistischen Stätten obligatorische Barfußlaufen besonders unangenehm machen.
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Die Weltfriedenspagode.
Nach dieser Besichtigung besuchen wir ein Myanmar-Fischrestaurant, in dem wir Krabben, Tintenfische, einen im ganzen gebratenen Fisch (alles jeweils in einer eher moderat scharfen Sauce), eine sauer-scharfe Gemüsesuppe und einen (wie üblich unaufgefordert gebrachten) Salat mit Fischsauce essen. Dazu trinken wir (außer Mi Mi, die sich an Tee oder Softdrinks hält) Myanmar-Bier.
Nach dem Essen fahren wir zu einem Juweliergeschäft, in dem es Saphire, Smaragde, Rubine und andere wertvolle Steine gibt, entweder einzeln geschliffen oder zu Silber- und Goldschmuck verarbeitet. Adelheid kauft nach langem Handeln, das sie als Einkäuferin eines Fachgeschäftes meisterhaft beherrscht (sehr zum Leidwesen der Verkäuferinnen), einen Ring mit einem Aquamarin für 130 US$, was wohl sehr weit unter den ursprünglichen Vorstellungen der Verkäuferinnen liegt.
Nach diesem Einkaufsbummel fahren wir zum Nationalmuseum, in dem wir Ausstellungen über die verschiedenen burmesische Schrifttypen und Alphabete aus verschiedenen Epochen und Regionen, Relikte und Modelle aus dem ehemaligen Palast in Mandalay (das beste Stück ist der Löwenthron, einer von neun Königsthronen, im Original), kunsthandwerkliche Gegenstände aus allen Epochen und die Trachten der verschiedenen Volksgruppen in Myanmar besichtigen. Zum Abschluß bekommen wir noch eine Ausstellung mit Bildern des renommierten burmesischen Malers U Ba Nyan aus dem 19. Jahrhundert zu sehen, der offenbar weit herumgekommen ist, denn wir sehen auch Stadtansichten von Florenz, Dresden und Nürnberg, die er mit Staffelei und Pinsel für uns erhalten hat. Nach dieser interessanten Besichtigung wird erst einmal Rast in einem Teehaus gemacht, in dem es Tee im indischen Stil (sehr kräftig, so daß er mit viel Milch und Zucker getrunken wird) und kleine Snacks (Muffins, Fruitcakes und Kartoffelstücke im Teigmantel) gibt.
Nach dieser Pause steuern wir unsere letzte Station für heute an, die Botataung (1000 Offiziere-) Pagode. In dieser Pagode wurden die acht Haare des Buddha, die sich heute in der Shwedagon Pagode befinden sollen, vor der Stiftung der letzteren aufbewahrt. Die 1000 Offiziere eskortierten die Reliquien auf der Reise von Indien nach Myanmar. Die vergoldete Stupa wird gerade restauriert, deswegen ist sie fast vollständig mit Bambusmatten eingerüstet. Der Tempel ist aber, mit seiner verwinkelten Spiegelmosaikhalle im Inneren, trotzdem interessant. Oberhalb der Spiegelmosaike werden in vergitterten Vitrinen teilweise schöne kleine Buddhafiguren äußerst lieblos ausgestellt. Sie scheinen mehr als Stützen für die Netze der fetten Spinnen in den Vitrinen zu dienen. Dafür gibt es anderweitig interessante Erlebnisse. Vor einer der Tempelhallen spricht uns ein älterer Burmese an, der etwas Deutsch kann, weil er zwei Jahre lang in Berlin (vermutlich Ostberlin) gearbeitet hat. Nach einem kurzen Smalltalk verabschiedet er sich wieder, da sein Deutsch zu eingerostet ist und er sich wohl ein wenig dafür schämt. Unsere Botataung-Besichtigung neigt sich dem Ende zu, wir verlassen die Buddhafiguren mit ihren in verschiedenen Rhythmen blinkenden Strahlenkränzen aus roten, grünen und gelben LEDs um den Kopf (eine Unsitte, die sich hierzulande fast in jedem Tempel eingebürgert hat) und fahren mitten im Chinesenviertel zu einem kleinen, schmuddeligen Restaurant, das im oberen (angeblich viel schöneren) Stockwerk noch schäbiger aussieht als unten. Wir setzen uns also doch nach unten. Es gibt gemischtes Gemüse, frittierte Broccoli, Shrimps, süß-saures Schweinefleisch und einen gekochten Fisch. Mit etwas Myanmar-Bier klingt der Tag dann aus.
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Bild links: Markt an der Botataung Pagode. Der blaue Kleinwagen rechts ist ein Taxi. Mitte und rechts: Auf dem Gelände der Botataung Pagode.