Yangon, 10.11.2003
Heute ist das Wetter wieder genauso makellos wie gestern. Wir haben etwa 33°C und wolkenlosen Himmel.
Für heute sind Besichtigungen geplant. Mi Mi und der Fahrer holen uns um 8 Uhr vom Hotel ab und wir fahren den kurzen Weg zur Shwedagon Paya, die mit ihren ca. 100 Metern Höhe das Stadtbild ähnlich stark prägt, wie zum Beispiel in Köln der Dom dies tut. Als ausländische Touristen werden wir erst einmal zum Lift gebracht, anstatt daß wir einen der vier Eingänge auf Treppen hochsteigen und dabei den kompletten buddhistischen Devotionalienhandel sehen. Oben angekommen bewundern wir die gewaltige vergoldete Stupa erst einmal stehend, dann umrunden wir sie. Dies muß im Uhrzeigersinn geschehen, um Respekt vor dem Heiligtum zu bekunden. Wir müssen auch, wie in allen buddhistischen Anlagen hierzulande, barfuß laufen, was bei dem nicht sonderlich sauberen und oft mit kleinen, spitzen Steinchen gespickten Boden in solchen Heiligtümern meist nicht angenehm ist.
Vor der gigantischen Stupa in der Mitte befinden sich noch zahlreiche kleine, sowie Schreine, in denen die Figuren der burmesischen Astrologie verehrt werden. Jedem Wochentag (wobei Mittwoch vormittag und Mittwoch nachmittag als zwei Wochentage gerechnet werden) sind ein Tier, ein Planet und eine Himmelsrichtung zugeordnet. In meinem Fall sind dies der Vogel Garuda, die Sonne und der Nordosten, da ich an einem Sonntag geboren bin. Bei Klaus sind es der Löwe, der Mars und der Südosten (für Dienstag), bei Adelheid und Mi Mi die Ratte, der Jupiter und der Westen (für Donnerstag).
Weiter außerhalb befinden sich noch viele weitere Tempelgebäude, viele aus Teakholz, manche aus Stein, die meisten mit prächtigen Schnitzereien verziert. Wir besichtigen die Anlage etwa eine Stunde lang, dann soll es zurück zum Auto gehen. Wir möchten allerdings diesmal nicht mit dem Aufzug hinunter, sondern über einen der Treppenaufgänge. Wir trennen uns also zunächst von Mi Mi, gehen die Stufen hinunter, schauen uns einige Läden, die Buddhafiguren und alle Arten von Devotionalien verkaufen an, und gehen dann auf der Straße bis zum Parkplatz. Da unsere Schuhe im Auto geblieben sind, ist das nicht immer angenehm.
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Die Shwedagon Paya.
Bald geht die Fahrt weiter zur Chaukhtatgyi Paya, einer etwa 70 Meter langen, modernen, liegenden Buddhafigur aus weißem Stein mit vergoldetem Gewand, die sich in einer Halle befindet, um sie vor der Witterung zu schützen. An den Trägern der Dachkonstruktion sind die Namen der Leute aus aller Welt zu lesen, die mit größeren Spenden zu dieser Sehenswürdigkeit beigetragen haben. Unterhalb des Tempels befindet sich ein Kloster und wir werden von Mi Mi relativ unsensibel in private Räume desselben bugsiert, wo wir beispielsweise Mönche beim Essen stören. Weiterhin werden wir auch noch in den Raum eines ranghohen Mönches gebracht, dem wir am liebsten dann auch noch von seinen Sachen wegessen und -trinken sollen. Der Mönch selbst hat keine Zeit für uns, er führt deutlich sichtbar Telefonate. Adelheid, Klaus und ich sind uns einig. Wir fühlen uns hier fehl am Platz und wir suchen so schnell wie möglich das Weite.
![]() |
![]() |
Der liegende Buddha in der Chaukhtatgyi Paya.
Nach der Klosterbesichtigung fahren wir weiter zum Bogyoke Aung San Market, einer Art Basar in Wellblechbauten, in dem es Kleidung, Schmuck, Kosmetika und noch viele andere Waren zu kaufen gibt. Auch dies ist ein reizvoller Programmpunkt. Nachdem wir etwa eine Stunde lang an den Geschäften vorbeigeschlendert sind, wird erst einmal in einem Restaurant mit traditioneller Myanmar-Küche zu Mittag gegessen. Wir bestellen Lamm-, Schweinefleisch-, Rindfleisch-, Fisch- und Hähnchencurry, ein Curry-Kartoffelgericht, Linsen und Garnelen. Ein Salat mit Okraschoten, Gurken, Kohl und einer uns unbekannten aber schmackhaften Gemüseart wird unverlangt gebracht. Die Salatsauce ist eine säuerlich scharfe Sauce aus Fischpaste. Das alles schmeckt gut und läßt sich prima mit etwas Myanmar-Bier hinunterspülen.
Nach dem Essen soll es zurück ins Hotel gehen, um dort zwei bis drei Stunden Siesta zu machen. Nachfragen, verbunden mit Verständigungsschwierigkeiten, führen schließlich zu der (für uns recht vorteilhaften) Wendung, daß diese Siesta ausfällt. Wir werden zunächst an den Yangon-River zum Hafen gefahren. Dort werden wir Zeuge, wie eine prall gefüllte Fähre anlegt. Die Szenerie ist so, wie man sich das Anlegen einer Fähre in der dritten Welt wohl vorstellt. Riesige Menschenmengen quellen aus dem kleinen Schiff. Sie haben alle nur erdenklichen Waren dabei, z. B. Früchte und Fische. Einige der Früchte werden an mobilen Marktständen gleich an die Menschenmenge verkauft, die in Kürze auf die andere Flußseite will. Diese Leute wiederum haben auch alles mögliche dabei. Fahrräder sind noch das harmloseste. Am oberen Ende des Spektrums befindet sich eine ungesicherte große Gas-Stahlflasche. Bald legt die Fähre ab. Bis zur letzten Sekunde versuchen Passagiere noch auf das Schiff zu kommen, einige springen noch auf. Ein äußerst interessantes Schauspiel.
![]() |
![]() |
Fähre über den Yangon-River.
![]() |
![]() |
Die Sule-Pagode.
Es geht zurück zum Auto. Wir fahren zu der nahe gelegenen, 46 Meter hohen, vergoldeten Sule-Pagode, die mitten in der Innenstadt steht. Nachdem wir auch diese besichtigt haben, fahren wir in das chinesische Viertel, in dem wir einen typischen Straßenmarkt in einer engen Straße besichtigen. Hier gibt es alle erdenklichen Arten von Lebensmitteln auf engstem Raum. Hühner, Enten, Garnelen, Schildkröten, alle Arten von Gemüse und Kräutern, und zwischen all diesen Waren vor einem Stand sitzend und nur mit einer Hose bekleidet, ein fetter Chinese, der eine Figur hat wie die dicksten Buddhastatuen, die man im Leben gesehen hat. So ein Marktbesuch ist immer wieder ein sehr interessantes Erlebnis.
![]() |
![]() |
![]() |
Markt im chinesischen Viertel. Im linken Bild ist ganz vorne Mi Mi zu sehen (die Frau im fliederfarbenen Kleid mit verschränkten Armen). Im mittleren Bild links unten sind zwei Frauen zu sehen, die Thanaka-Paste im Gesicht tragen, eine Paste aus Baumrinde, die als Sonnenschutz und Gesichtspflege gilt.
Nach dem Markt führt uns Mi Mi ins "Café Aroma", ein vor zwei Jahren eröffnetes Café, in dem wir echten Lavazza-Cappuccino trinken. Von der Innenaustattung her, könnte das Café ohne weiteres auch nach Deutschland oder irgendein anderes westliches Land passen.
Nach dem Cafébesuch geht es noch einmal durch Innenstadtviertel, dann sollen wir zum Abendessen gefahren werden. Ich verstehe noch etwas von "Karaweik-Restaurant" und hoffe noch, mich verhört zu haben, leider trifft es dann aber tatsächlich so ein. Wir werden zu der großen, 1973 aus mit Goldbronze bemaltem Beton erbauten königlichen Barke gefahren, die von unserem Hotel aus gesehen auf der gegenüberliegenden Seite des Kandawgyi-Sees liegt. Ich war vor zwei Jahren schon einmal in dieser Touristenfalle, war herb enttäuscht davon und hatte auch Adelheid und Klaus schon davon erzählt. Heute sollen wir hier vom Buffet essen (das eben gerade vor zwei Jahren ziemlich mäßig war) und dazu eine Marionettentheateraufführung sehen. Mit anderen Worten: Es muß sofort ein Notfallplan in Kraft treten. Wir überzeugen Mi Mi, daß wir unter allen Umständen woanders hin möchten, wo es authentischeres Essen gibt und wo man von Marionetten und grauenhafter, überlauter Musik verschont bleibt. Mi Mi fällt schon wieder komplett vom Glauben ab, lenkt aber ein.
![]() |
Sonnenuntergang am Kandawgyi-See. Im Hintergrund ist die Shwedagon Paya zu sehen.
Wir werden kreuz und quer durch die Stadt zu einem kleinen, schmuddeligen indischen Restaurant gefahren, in dem es Reis mit Safran und Hühnerfleisch gibt. Mi Mi erhält von uns dezent einen kleinen Überstundenzuschlag zugesteckt, der auch als Ersatz für die vermutlich entgangene Commission aus dem Karaweik-Restaurant dienen soll, und wird eingeladen. Das Essen ist billig, einfach aber schmackhaft, und die Szenen im Restaurant und auf der Straße sind hundertmal interessanter als jedes Marionettentheater. Da der Fahrer auf der Rückfahrt zum Hotel eine andere Route nimmt als sonst, sehen wir in einer Entfernung, die man vom Hotel aus ohne weiteres zu Fuß bewältigen kann, einige interessante Restaurants, so daß wir in den nächsten Tagen wohl auch ohne fremde Hilfe um die Marionetten herumkommen können. Mit anderen Worten: Es war ein rundum gelungener Tag.