Mandalay, 16.11.2003
Was für eine Zeit, um im Urlaub aufzustehen. Und das auch noch freiwillig. Noch halb bewußtlos mache ich mich ausgehfertig. Um 4.00 Uhr kommt der Fahrer und bringt Mi Mi und uns zum Hauptbahnhof von Mandalay, einen typischen, dreckigen, heruntergekommenen Dritte-Welt-Bahnhof. Nach einigem Durchfragen findet Mi Mi den richtigen Zug und dann auch noch die richtigen Plätze. Letzteres ist auch gar nicht so einfach, denn im Zug ist es dunkel. Es gibt zwar eine Deckenbeleuchtung, aber die funktioniert nicht. Später schraubt jemand eine der Deckenleuchten auf, trennt ein paar Leitungen und klemmt durch Verdrillen der nicht isolierten Stromkabelenden eine kleine Glühbirne ein. Steht der Zug still oder fährt er sehr langsam, hat das ganze etwa die Lichtstärke eines Teelichtes, bei voller Fahrt wird das Ding überraschend hell. Aber die Beleuchtung in dem Waggon, in dem wir auf engen, sehr unbequemen, kunstlederbezogenen Hartplastik-Schaumstoffbänken sitzen (wir sitzen allerdings in der gehobenen Klasse, in der "Ordinary Class" sind es Holzbänke), ist bei weitem nicht das einzige Ungewöhnliche. Bald steigen Soldaten ein. Sie werden zu einem anderen Standort versetzt und wuchten ihre Ausrüstung, die sich in großen Kisten befindet, einfach durch das Fenster. Die Kisten blockieren den Gang und wer ein- oder aussteigen will, muß auf sie hinaufsteigen und auf ihnen gehen. Und das ist bequemer, als wenn man auf der anderen Waggonseite ein- oder aussteigt. Dort muß man über große Säcke, die im Gang liegen, balancieren. Als wir abfahren, ist der Waggon ziemlich voll. Da wir in ein Bergland fahren, das etwa 1000 Meter über dem Meeresspiegel liegt, sind alle Einheimischen gekleidet, als ginge es ans nördliche Eismeer. Und man hat natürlich jede Menge Proviant dabei. Und wenn einem doch noch etwas fehlt, kann man es von den zerlumpten Kindern auf dem Bahnsteig kaufen.

Pünktlich um 4.45 Uhr fährt der Zug ab. Der Gleiskörper stammt noch von den Japanern aus dem 2.Weltkrieg, der Zug dürfte, mit Ausnahme der (allerdings auch nicht gerade neuen) Diesellok, nicht wesentlich jünger sein. Wir kommen also nur langsam voran und der Zug rumpelt ziemlich. Fährt er mal etwas schneller, schwingt er stark, manchmal seitlich, manchmal von oben nach unten. Aus diesen Gründen muß man beim Bahnfahren hierzulande Geduld haben. Eine Zugfahrt von Yangon nach Mandalay (ca. 600 km) dauert zum Beispiel 20 Stunden.
Nach etwa einer Stunde Fahrt wird es hell. Wir verlassen bald die Ebene und fahren auf eine nicht ganz alltägliche Art einen Berg hinauf. Wir fahren im Zickzack hoch und wechseln dabei jeweils die Fahrtrichtung. Als wir den Berg erklommen haben, geht die Fahrt durch eine sehr schöne Berglandschaft mit üppiger, ebenso interessanter Vegetation weiter. In den Kurven sieht man, daß der Zug inzwischen so voll ist, daß vereinzelt Leute außen dran hängen. Im Shan-Staat, den wir inzwischen durchfahren, sieht man, neben Trockenreis- und Gemüsefeldern, sehr häufig Blumenwiesen und blühende Sträucher. Das macht die Landschaft noch reizvoller. Auf den kleinen Bahnhöfen, in denen wir halten, ist es laut, chaotisch und dreckig, wie man es erwartet. Aber einen Vorteil haben die Bahnhöfe, wie ich sehen kann. Sie haben Mauern, also können sie den Passagieren als Zugtoilette dienen.
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Zugfahrt durch den Shan-Staat.
Weiter geht die Rüttelfahrt durch den Shan-Staat, bis wir nach etwas mehr als 3 1/2 Stunden in der früheren Hill Station der Briten Pyin Oo Lwin (die damals Maymyo hieß und 67 km von Mandalay entfernt liegt) angekommen sind. Wir besteigen die Kisten im Gang und klettern, zusammen mit vielen anderen Leuten in Winterkleidung, aus dem Zug, der nach Lashio weiterfährt. Danach gehen wir zum Bahnhofsvorplatz, auf dem kleine bunte Pferdekutschen auf Passagiere warten. Wir müssen allerdings keine solche besteigen, sondern unser Fahrer ist längst von Mandalay aus hierher gefahren.
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Bahnhofsvorplatz von Pyin Oo Lwin.
Wo führt unser erster Weg hin? Selbstverständlich in ein Teehaus, denn unsere asiatischen Freunde sind natürlich schon wieder am Verhungern. Nun, sollen sie ihr Vergnügen haben. Wir drei Reisenden lassen das Frühstück sausen, da keiner von uns im Moment auf irgend etwas Appetit hat. Nach dieser Veranstaltung fahren wir zu einem neu erbauten Pahto außerhalb der Stadt, der innen und außen architektonisch sehr schön gestaltet ist und in dem wir uns etwas länger aufhalten. Vor allem außem ist es schön, weil man die Sonne genießen kann, ohne daß einen die Hitze ins Schwitzen kommen läßt. Zwar ist die Kleidung der Leute hier meiner Meinung nach schon übervorsichtig (ich bin im T-Shirt hier und habe keine Probleme, obwohl ich zurecht als verfroren bekannt bin), aber es ist schon erheblich kühler als im Flachland.
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Tempel bei Pyin Oo Lwin.
Nach unserer Pahto-Besichtigung fahren wir zu den Pwe Kauk-Wasserfällen, einem gemütlichen Ort zum Herumschlendern und Ausruhen. Lediglich am Anfang des Rundweges, der über zwei reichlich klapprige Holzbrücken führt, muß man ein wenig aufpassen, um nicht ins Wasser zu fallen. Wir lassen uns aber von sich bewegenden Holzbohlen nicht irritieren und somit gibt es keine unliebsamen Überraschungen. Nachdem wir uns eine Weile hier umgesehen, an einem Stand Erdbeerlikör gekostet haben (schmeckt eher mittelmäßig) und neben Trockenreisfeldern in der Nähe noch einigen Wasserbüffeln guten Tag gesagt haben, fahren wir zu unserer nächsten Station, einer großen Tropfsteinhöhle, in der viele Buddhafiguren und Schreine aufgestellt sind. Das ganze soll wohl ein Konkurrenzprodukt zu Pindaya sein, dazu ist die Anlage aber etwas zu kitschig geraten. Die Tropfsteinhöhle selbst ist sehr eindrucksvoll, aber die röhrenden Hirsche, die Häslein im Gras und die Papageien auf der Liane, die hingebungsvoll den Predigten des Erleuchteten lauschen, sind schon etwas zuviel des guten. Das konnte man hierzulande vor 1000 Jahren erheblich geschmackssicherer.
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Linkes Bild: Pwe Kauk Wasserfälle. Rechtes Bild: Wasserbüffel.
Nach der Höhle fahren wir zum Mittagessen in ein Shan-Restaurant. Dort essen wir Rindfleisch mit grünem Curry, chinesischen Broccoli und andere Gemüse, Schweinefleisch mit Cashewnüssen, Bratnudeln mit Schweinefleisch und eine Gemüsesuppe. Nach dem Essen macht uns Mi Mi verstohlen auf einen Mann mit einer etwa 80 Zentimeter langen, dicken Bambuspfeife aufmerksam und wir sehen zum ersten Mal bewußt einen Opiumraucher. Der Shan-Staat ist ja eine Seite des berüchtigten "Goldenen Dreiecks", also ist es nicht weiter verwunderlich, ausgerechnet hier einen zu finden.
Frisch gestärkt fahren wir in die Stadt zum großen Markt, auf dem es wirklich wieder alles gibt. Abgesehen von dem Umstand, daß so ein Markt von der Auswahl der Waren her, dem Gebaren der Käufer und Verkäufer, den Gerüchen, etc. ohnehin schon faszinierend ist, ist dieser Markt noch heller und weiträumiger als die anderen, die ich bisher hierzulande gesehen habe. Nach diesem interessanten Marktbummel besichtigen wir noch den Botanischen Garten, der während des 1. Weltkrieges errichtet wurde und neben vielen tropischen Bäumen und netten Plätzen zum Verweilen unter anderem einen Orchideengarten bietet.
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Links und Mitte: Markt in Pyin Oo Lwin. Rechts: Botanischer Garten.
Mit dem Botanischen Garten endet unsere Tour hier und wir werden eine wirklich unvorstellbar schlechte Rüttelstraße entlang knapp 70 km weit nach Mandalay zurückgeschaukelt. Dort angekommen sind wir trotz der schönen Landschaftseindrücke auf der Strecke erst einmal ziemlich fertig. Wir verabschieden uns von Mi Mi und dem Fahrer, um uns zwei Stunden später zum Abendessen wieder zu treffen.
Wir fahren in ein Restaurant mit abartig kalt eingestellter Klimaanlage und essen dort knusprig gebratene Ente, Hähnchen in Honig, Krabbenscheren (leider in einer etwas zu scharfen Sauce, die den Eigengeschmack erschlägt) und Schweinefleisch mit Paprika. Dazu gibt es etwas Myanmar- Bier. So geht ein langer, langer Tag beschaulich zuende.