Kyaikhtiyo, 13.11.2003
Wie schon die ganze Zeit über, haben wir heute wolkenlosen Himmel. Und meine gesundheitlichen Schwierigkeiten haben sich auch gelöst. Am gestrigen Abend gab es Schweißausbrüche, weil das Fieber herunterging, und seitdem ist alles wieder im Lot. Klaus dagegen leidet noch, aber es scheint sich bei ihm in einem erträglichen Rahmen abzuspielen. Alles andere würde uns an einem Tag wie heute auch sehr ungelegen kommen.
Um 8 Uhr werden wir von Mi Mi und dem Fahrer abgeholt. Wir fahren zunächst durch den Yangoner Stadtverkehr und nehmen dann die "Autobahn" in Richtung Mandalay, eine holprige, mehrspurige Straße, auf der einem von Fahrrädern bis hin zu Ochsenkarren alles entgegenkommen kann. Aber zumindest Mautstationen gibt es öfter mal. Nachdem wir an vielen Lastwagen und noch mehr Pickups vorbeigerüttelt sind, die dreimal so viele Leute auf der Ladefläche transportieren wie es in Deutschland vorstellbar wäre (plus einige Leute, die außen dran hängen), halten wir erst einmal an einem großen Baum, neben dem ein Schrein steht. Hier wohnt der Autoschutzgeist, ein Geist, dem man opfern und sein Auto zeigen muß, damit man eine unfall- und pannenfreie Fahrt genießen kann. Nachdem wir etwas geopfert haben, können wir weiterfahren. Bald wird die Gegend richtig ländlich. Wir fahren durch eine weite Ebene voller Reisfelder und sehen viele Wasserbüffel. Ab und zu muß der Fahrer mal scharf bremsen, weil ein Zeburind die Fahrbahn überquert, aber dank des Autoschutzgeistes geht alles gut.

Wir erreichen schließlich Bagò, die Stadt, die wir morgen genauer besichtigen wollen. Heute machen wir nur einen kurzen Zwischenstop, um einen engen, quirligen Markt zu besichtigen, auf dem es vor allem viele Lebensmittel und Gewürze gibt. Die Geruchspalette hier bietet alles. Der getrocknete Fisch ist nicht jedermanns Sache, die Gewürze dagegen faszinieren jeden. Es gibt hier jedenfalls unendlich viel zu sehen, zu hören und zu riechen.
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Der Markt in Bagò.
Nach unserem Marktbesuch rütteln wir über eine für hiesige Verhältnisse gut ausgebaute Landstraße nach Waw und dann weiter in Richtung auf den Mon-Staat zu.
In einem Lokal, das zwar mitten im Niemandsland liegt, aber trotzdem eine große überregionale Bekanntheit zu haben scheint, essen wir zu Mittag. Neben einem Hähnchencurrygericht haben wir gemischtes Gemüse, eine Gemüsesuppe und angeblich zwei verschiedene Lammcurry-Gerichte. Bei einem derselben glauben wir das, das andere ist aber nie und nimmer Lamm. Was es wirklich ist, bekommen wir leider nicht heraus, es schmeckt aber dennoch alles lecker.
Nach dem Mittagessen fahren wir weiter durch den Mon-Staat mit seiner interessanten Vegetation, bis wir in Kyaikto ankommen. Dort wird die Straße so steil, daß normale Autos nicht hinauffahren können. Wir steigen deshalb in einen Lastwagen um. Mi Mi ergattert für uns Plätze im Fahrerhaus, alle anderen müssen sich auf Holzplanken auf der Ladefläche setzen. Während wir auf die Abfahrt warten, werden wir von unzähligen Straßenhändlern, meist Kindern, belagert, die Früchte verkaufen. Wenn man nicht gleich etwas kauft, wollen sie sich zumindest ihr Glück für morgen sichern und sagen dauernd: "Banana tomorrow, okay?".
Obwohl der Lastwagen so vollgestopft ist, daß man mit europäischen Augen keinen Platz mehr findet, will der Fahrer länger und länger warten, um die Fuhre endlich wenigstens einigermaßen voll zu kriegen. Mi Mi wird ziemlich nervös, weil wir noch deutlich vor Sonnenuntergang am Goldenen Felsen ankommen wollen. Als sich die Sache zu sehr verzögert, mietet sie kurzerhand einen Lastwagen für uns alleine (was bedeutet, daß außer uns ca. zehn andere Leute mitfahren) und so geht die Fahrt dann doch noch einigermaßen pünktlich los.
Die Strecke zwischen Kyaikto und dem Golden Rock Hotel hat teilweise Achterbahncharakter und der Fahrer fährt wie ein Henker. Zu Mi Mi sagt er (wie wir später erfahren) auf Burmesisch immer, daß wir uns keine Sorgen machen sollen. Zu uns sagt er öfters: "Very good driver!" Wir glauben ihm das mal. Als die steile Straße einspurig wird, müssen wir an einer Funkstation warten, da von oben ein entgegenkommender Lastwagen gemeldet wurde. Erst als dieser durch ist, dürfen wir nach oben.
Unser very good driver rüttelt uns noch einige Kilometer die steile Straße hoch bis zum Golden Rock Hotel. Dort checken wir ein, machen fünf Minuten Pause und gehen dann zu Fuß die sehr steile Straße zum Goldenen Felsen hoch. Wir kommen dabei sehr stark ins Schwitzen und werden lange Zeit durch sehr penetrante Sänftenträger belagert. Nach etwa 45 Minuten kommen wir oben an. Der Goldene Felsen in Kyaikhtiyo ist eine Sehenswürdigkeit, die man nur schwer mit Worten beschreiben kann. Auf einem Steilhang steht ein Felsen, der so weit heraussteht, daß er jeden Augenblick herunterzufallen droht. Auf diesen Felsen hat man eine kleine Stupa gepfropft, Felsen und Stupa vergoldet und darum herum eine Tempelanlage gebaut.
Der Legende nach bekam der Mon-König Thissa im 11.Jahrhundert ein Buddha-Haar von einem Eremiten, der die Reliquie in seinem Haarknoten versteckt hatte. Der Eremit verlangte von König Thissa als Gegenleistung eine Stupa an einer Stelle zu stiften, die so aussieht wie der Kopf des Eremiten. Hier oben im Gebirge fand König Thissa so eine Stelle, und diesem Umstand verdanken wir diese einmalige Sehenswürdigkeit, die selbstverständlich nur durch das Haar Buddhas im Inneren im Gleichgewicht gehalten wird.
Sieht der Goldene Felsen tagsüber schon faszinierend aus, wirkt er in der Dämmerung und dann in der Nacht, wenn er von vielen Lampen angestrahlt wird, noch viel unwirklicher. Nachdem die Sonne untergegangen ist, herrscht hier eine ganz faszinierende Atmosphäre. Gerade am Abend kommen immer mehr Pilger von unten, meist ganze Familien, die gleich Gepäck und Proviant mitbringen, weil sie hier oben übernachten und den Sonnenaufgang miterleben wollen. Trotz der relativ vielen Leute ist es hier friedvoll und still.
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Der Goldene Felsen in Kyaikhtiyo.
Nach etwa zwei Stunden machen wir uns auf den Weg zum Hotel. Wir nehmen dabei eine Abkürzung, die wir eigentlich nur deshalb mit heilen Knochen bewältigen, weil Klaus und Adelheid zum Glück Taschenlampen dabeihaben. Die schwache Beleuchtung hat aber auch einen Vorteil: Wir werden mit einem unglaublich faszinierenden Sternenhimmel belohnt, so üppig wie die Vegetation auf dem Weg hierher. Weil die Gegend nicht unbedingt durch gastronomische Highlights glänzt, muß es heute ein Essen im (allerdings durchaus guten) Hotelrestaurant tun. Wir essen ein Entencurry-Gericht, scharf-saure Garnelen, Schweinefleisch mit Gemüse, ein weiteres Gemüsegericht und eine myanmarische Gemüsesuppe. Dazu werden ein paar Myanmar-Biere vernichtet. So klingt unser Tag am Goldenen Felsen durchaus angenehm aus.