Bagan, 22.11.2003
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Impressionen aus der Ebene von Bagan.
Heute hat Mi Mi ihren freien Tag. Das hatten wir in unserer Planung so vorgesehen. So ziehen meine Freunde und ich heute morgen auf eigene Faust zu Fuß los.Wir machen uns bei wolkenlosem Himmel in der noch moderaten Morgensonne auf den Weg zum Thatbyinnyu Pahto. Dieser Tempel ist schon von weitem sehr auffällig, da er erstens hellgrau statt ziegelrot ist, und zweitens 61 Meter hoch. Er wurde im 12. Jahrhundert erbaut und sieht sehr imposant aus. Die Innenräume sind allerdings eher enttäuschend. Auch hier muß es einmal sehr schöne Wandmalereien gegeben haben. Wo sie noch zu sehen sind, ist ihr Zustand allerdings sehr schlecht. Teilweise hat man sie einfach mit weißer Farbe übertüncht. Der gesamte Wandelgang ist so gestrichen. Der Anstrich ist auch nicht mehr neu, überall befinden sich Vogel- und Fledermausmist zwischen den Spinnweben, der Anstrich selbst ist schlampig ausgeführt, kurz und gut, die Wände des Innenraums sehen aus wie vor Jahren geweißte Kuhstallwände. Denkmalpflege auf Burmesisch. Im Inneren sieht man zum Beispiel eine eher seltene Buddhastatue, bei der Buddha nicht wie sonst im Lotossitz zu sehen ist, sondern wie auf einem Stuhl sitzend mit herabhängenden Beinen. Diese Statue befindet sich in einer Glasvitrine Marke "Gelsenkirchener Barock", deren Scheiben wohl noch nie gesäubert worden sind. Aber Hauptsache, es blinkt wieder ein Strahlenkranz mit roten, gelben und grünen LEDs um den Kopf. Die wirklich bedeutenden Sehenswürdigkeiten Bagans wären wohl nur durch sofortigen Einmarsch und durch Enteignung zu erhalten, sowie mit einem Verbot bei Todesstrafe für Burmesen, sich den Buddhastatuen und Malereien auf weniger als drei Meter zu nähern.
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Thatbyinnyu Pahto. Bild rechts: Die LEDs im Strahlenkranz laufen und blinken wie bei einer Leuchtreklame. Diese Dekoration hat man inzwischen einer Vielzahl von Buddhastatuen verpaßt.
Unsere nächste Station ist der Pyathada Pahto, ein ebenfalls sehr großer Tempel, der für die Beobachtung des Sonnenunterganges über der Ebene von Bagan sehr geeignet wäre, da er oben eine sehr große Terrasse hat. Der obere Teil scheint zerstört worden zu sein, denn es wurde einfach eine kleine Paya hier oben aufgepfropft, was dazu führt, daß wir übereinstimmend auf den Spitznamen "Penthouse-Pagode" kommen. Das ganze sieht irgendwie blöd aus, weil es die Proportionen des Gesamtgebäudes total verdirbt. Wir sind erneut beim Thema Denkmalpflege auf Burmesisch...
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Weitere Impressionen aus der Ebene von Bagan.
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Blick vom Pyathada Pahto.
Nach unserer Besichtigung hier gehen wir quer durch die Ebene, an vielen kleinen Pagoden und Tempeln vorbei. Die Vegetation hier wirkt sehr mediterran. Würde man hier fotografieren und dabei darauf achten, keine Pagode auf dem Bild zu haben (was allerdings schwierig ist), könnte man das Foto wohl jedem als sizilianische Landschaft verkaufen, ohne daß derjenige stutzig wird. Es ist gerade auch die Tatsache, daß die vielen Ziegelsteinpagoden und -tempel so harmonisch in diese Landschaft eingebettet sind, die den besonderen Charme von Bagan ausmacht.
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Auch die Vegetation in Bagan ist faszinierend.
Nachdem wir 3 1/2 Stunden lang durch die Ebene gegangen sind, kommen wir an der alten Stadtmauer von Bagan an. Dort befindet sich das Sarabha Restaurant, in dem wir schon an unserem ersten Abend hier gegessen haben. Dort wollen wir nun wieder essen. Auf der burmesisch- englischen Speisekarte ist ein drolliger Druckfehler, der mir schon vor drei Tagen aufgefallen ist. Es gibt hier Gemüse "with salted Soya Bear". Ein gesalzener Sojabär! Das ist mal eine Überraschung! Wir wollen uns aber keinen Sojabären aufbinden lassen, sondern essen stattdessen Hühnchen in Orangensauce, Mutton Kebab (um Hennes auch wieder zu seinem Recht kommen zu lassen) und scharf-saures Schweinefleisch. Etwas Myanmar-Bier schwemmt die Milchsäure aus den Muskeln. Nach dem Mittagessen gehen wir zurück ins Hotel. Klaus und Adelheid wollen sich etwas ausruhen und noch etwas an den Pool gehen, ich dagegen möchte noch eine weitere Tour machen und gehe deshalb zu Fuß nach Neu-Bagan. Die Straße ist sehr staubig, nichtsdestoweniger sehr interessant, weil man erstens mitten durch die Ebene an den Tempeln und Pagoden vorbeigeht und weil zweitens immer diese völlig mit Menschen und Gepäck überladenen Fahrzeuge vorbeikommen. Der Innenraum der Ladefläche ist mit etwa doppelt so vielen Menschen vollgestopft, wie es bei uns gerade noch zulässig wäre, und auf dem Dach sitzen auch noch welche. Zu allem Überfluß hängen hinten noch ein paar Leute außen dran.
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Öffentliches Verkehrsmittel in Bagan.
Nach etwa vier Kilometern Wanderung komme ich an der Lawkananda Kyaung an. Dies ist eine vergoldete Pagode aus dem 11.Jahrhundert, die direkt am Ufer des Ayeyarwaddy liegt. Sie ist insofern ganz interessant, weil sie sehr schlicht gestaltet ist. Aus diesem Grund kann man ganz nahe an die Stupa herangehen und genau sehen, wie das mit der Vergoldung gemacht wird. Auf den Putz werden rechteckige Goldplatten aufgeschraubt. An der Pagode kann man sich auch schön ausruhen, da an ihrer Hinterseite, die dem Fluß zugewandt ist, ein kühler Wind weht. Auch ist in der Anlage im Moment nicht viel los. Nur von unten klingt fröhlicher Lärm herauf, weil am Flußufer ein paar Kinder abwechselnd im Wasser planschen oder eine Schlammschlacht machen.
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Links: Die Lawkananda Kyaung. Mitte: Detail der Vergoldung. Rechts: Schlammschlacht am Ayeyarwaddy.
Nachdem ich mich hier eine Weile ausgeruht habe, gehe ich zunächst quer durch das Dorf, das an der Pagode liegt, zwischen den Häusern durch und an Hühnern, Schweinen und Zeburindern vorbei. Schließlich erreiche ich wieder die Straße. Nach kurzer Zeit hupt es. Unser Fahrer, der heute offensichtlich eine andere Tour fährt, kommt vorbeigefahren und winkt. Kurz bevor ich ins Dorf Myinkaba komme, überholt mich ein Pferdewagen, in dem mit einer Kollegin fröhlich schnatternd Mi Mi sitzt. Sie ist gleich völlig aus dem Häuschen, als sie mich sieht. Natürlich wird sie völlig konfus, als sie mich zu Fuß gehen sieht. Sie will unbedingt, daß ich mit auf den Pferdewagen komme. Sie läßt die Karre sogar anhalten, geht mir entgegen und versucht mir klarzumachen, wie schrecklich weit es noch bis zum Hotel sei und welche Katastrophen mir auf dem Weg noch begegnen könnten. Asiaten werden ja immer komplett hysterisch, wenn sie Europäer zu Fuß gehen sehen. Erstens verbraucht man dabei ja Kalorien und dann müßte man ja noch öfter als zwanzigmal am Tag essen und zweitens hat die Fortbewegung in Asien ja auch immer eine soziale Komponente. Zu Fuß geht man nur, wenn man sich wirklich nicht auch nur das schäbigste Fortbewegungsmittel leisten kann. Ich mache Mi Mi klar, daß ich nicht tot umfallen werde, wenn ich nach sechseinhalb Kilometern Fußmarsch noch die restlichen eineinhalb hinter mich bringe. Auch als sie ganz besorgt nach Adelheid und Klaus fragt, kann ich sie beruhigen, daß diese nicht unterwegs von einem Nat verschlungen worden sind, sondern sich wohlbehalten im Hotel befinden. Ich scheine sie hinreichend beruhigt zu haben, so daß sie mit ihrer Kollegin winkend von dannen fährt. Wir haben uns gestern schon für heute abend sieben Uhr verabredet, um gemeinsam essen zu gehen.
Gegen fünf Uhr komme ich ins Hotel zurück und ruhe mich etwas aus, bis wir zum Abendessen fahren. Um 19.00 fahren wir dann nach Neu-Bagan und essen dort Ente in Honigsauce, Schweinefleisch in Kokosnußsauce, "Hennes-Curry" und Hühnchen mit Babymais. Dazu gibt es noch etwas Myanmar-Bier. Das tröstet uns etwas über die Tatsache hinweg, daß wir morgen wieder einmal etwas früher aufstehen müssen als uns lieb ist.