Runaway Bay 29.12.2017
Die Erklärungen zum Thema Augenzahlwahrscheinlichkeiten beim Würfeln scheinen Manuel sehr beschäftigt zu haben. Jedenfalls gibt es eine unerwartete Programmänderung. Gleich nach dem Frühstück müssen wir "Siedler" spielen. Sophie hat keine Lust und möchte lieber an den Strand gehen, daher gibt es unweit der Lobby–Bar zwei Partien zu dritt. Die erste verläuft wie gewohnt, in der zweiten wächst der Junge über sich hinaus und gewinnt! Selbstverständlich ist er hinterher sehr stolz auf sich, ein Stolz, den sein Vater gerne mit ihm teilt.
Es ist bereits nach 11:00 Uhr als wir zu Sophie an den Strand aufbrechen. Dort angekommen, gibt es erst einmal eine ausführliche Runde "Unterwasserkitzeln". Manuel scheucht mich ganz schön herum, ich erwische ihn allerdings mehrmals und wir haben großen Spaß. Über eine Stunde dauert das Treiben, danach ruhen wir uns etwas aus. Nach einiger Zeit geht Sophie in die Lobby, weil es nur dort kostenlosen Internetzugang gibt, Manuel will mit mir das Kinder–Spaßbad besuchen, in dem er gestern schon mit seinem Vater war. Ich filme ihn dabei, wie er die verschiedenen Wasserrutschen hinunterjagt.
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Links: Zottel macht es sich gemütlich. Mitte, rechts (Videos): Manuel spielt ausgelassen im Water Park.
Am Nachmittag gehen Vater, Sohn und ich zu einem reichlich verspäteten Mittagessen, anschließend treffen wir Sophie wieder am Strand. Manuel buddelt zunächst ein bisschen im Sand herum, dann führen er und ich eine spontan improvisierte Comedy–Show auf. Der Junge hat irgendwo etwas zu den Themen "Drogen" und "Gras rauchen" aufgeschnappt. Er füllt immer etwas Sand in ein Plastikbeutelchen ab und versucht mir das "Gras" dann zu verkaufen. Wir haben dabei selbstverständlich den passenden Jargon drauf: "Ey Alda, was geht ab? – Läuft bei Dir, Digga? – Ey brauchst Du Gras, Alda? – Lass ma riechen, is gut?" Ich versuche dann, sein Päckchen mit meiner Armbanduhr zu bezahlen ("Hier, kriegst Du Rolex, is voll escht, Alda!"). Dabei machen wir zusätzlich die entsprechenden Rapper–Gesten, die Manuel alle perfekt draufhat, was man von mir nicht gerade behaupten kann. Sophie lacht sich fast tot, während sie uns zusieht. Als ich nach erfolgtem Deal "Yo, Mother–beeeeep" sage, kommt auch der Kleine nicht mehr aus dem Kichern heraus. Natürlich muss das Stück mehrmals wiederholt werden. Als der Neunjährige die letzte Vorstellung abschließt, indem er mir "Viel Spaß beim Ziehen!" wünscht, kann auch ich nicht mehr an mich halten.
So verfliegt die Zeit. Als der Abend herannaht, verlassen wir den Strand. Manuel darf kurz im Water Park auf den Wasserrutschen den Sand abwaschen, dann geht es zurück in die Zimmer zu einer Duschpause. Eine Dreiviertelstunde später steht die nächste Partie "Siedler" an, diesmal zu viert. Stephan, der in den meisten Lebenslagen mit viel Geduld reagiert, kann diese beim Spielen nicht immer aufrechterhalten. Er verpasst Manuel einen Anpfiff, weil er unkonzentriert ist und unüberlegte Dinge tut. Daraufhin ist dieser beleidigt und lässt die Frustration wenig später an Sophie aus, indem er bei jeder Gelegenheit den Räuber in ihre Felder stellt und sie andauernd verbal provoziert. Dies geht so weiter, bis Sophie sich gegen dieses Gebaren abgrenzt und nicht mehr weiterspielen will. Die Situation scheint völlig verfahren und ist unter anderem deswegen so schwer aufzulösen, da Manuel zwar extrem unfair, aber formal regelkonform spielt. Ich halte mich selbstverständlich komplett zurück, Stephan nimmt nach einigen vergeblichen Schlichtungsversuchen seinen Sohn beiseite und schafft es, ihn mit einem psychologischen Trick dazu zu bewegen, dieses Mal den Räuber woandershin zu stellen, worauf die Partie weitergehen kann. Ich habe am Ende neun von zehn erforderlichen Punkten, mir fehlt nur noch eine Getreidekarte zum Sieg, als Stephan extremes Würfelglück hat, aus den Entwicklungskarten einen Bonus–Siegpunkt zieht und damit erneut gewinnt.
Nach dieser in jeder Hinsicht aufregenden Partie gehen wir zum Abendessen. Nach demselben gibt es eine vierte Partie "Siedler" zu dritt, da Sophie entweder müde ist, keine Lust mehr auf Auseinandersetzungen hat oder beides. Die Partie verläuft für mich auf fast schon gespenstische Weise so wie die letzte: Ich habe neun von zehn erforderlichen Punkten, wieder fehlt mir genau eine Getreidekarte zum Sieg und erneut hat Stephan das Glück, sich aus dem Entwicklungskartenstapel ausgerechnet einen Bonus–Siegpunkt zu kaufen. So viel Pech kann man eigentlich gar nicht haben und wäre ich bei dem Spiel nennenswert emotional engagiert, geriete meine Stimmung jetzt an einen Tiefpunkt.
Es ist inzwischen bereits nach 23:00 Uhr und wir gehen schlafen. Morgen werden wir für 120 US–Dollar einen Ausflug zum Bob–Marley–Mausoleum machen. Allerdings haben weder Stephan noch ich Dollars dabei. Wir wollen in Landeswährung bezahlen. Man kann an der Rezeption Euro tauschen und überdies befindet sich auf unserem Weg ein Geldautomat. Ich versuche aus diesem mit meiner Kreditkarte Jamaika–Dollar zu ziehen, wir stellen aber zu unserer Überraschung fest, dass das Gerät US–Dollar geladen hat. Ich hebe 160 ab, damit wir zusätzlich Puffer für etwaige Einkäufe haben. Nun sind wir für morgen bestens gerüstet.