Kochi, 17.11.2010
Mein Wunsch von gestern Abend geht in Erfüllung. Heute Morgen ist es sonnig in Kochi. Zwar kommen immer mal wieder ausgedehnte Wolken vorbei, aber im Großen und Ganzen bleibt es schön. Ich unternehme einen kurzen Spaziergang zu einem Geldautomaten, an dem ich mit meiner Bankkarte 10000 Rupien abhebe. Das sollte für den Rest der Reise problemlos reichen.
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Links: Mein Hotel, die Raintree Lodge. Mein Zimmer liegt oben rechts. Mitte und rechts: Die Santa-Cruz-Basilika.
Für den Vormittag ist eine Besichtigung von Fort Cochin (dem Teil der Stadt, in dem mein Hotel liegt) und Mattancherry eingeplant, erstmals auf meinen Indienreisen mit einer Führerin. Es ist mir schon gestern Abend aufgefallen, dass ich eher in Portugal als in Indien zu sein scheine, wenn man vom heißen, außerordentlich feuchten Tropenklima absieht. Die Tour beginnt am Hafen. Das Fort Manuel liegt hier, von dem aber kaum etwas übrig geblieben ist. Nur wenige Minuten zu Fuß entfernt ist der niederländische Friedhof zu sehen, ein Zeugnis der Kolonialzeit der nach-portugiesischen Ära. Am anderen Ende des Exerzierplatzes, an dem dieser gelegen ist, steht St. Franziskus, ein portugiesischer Barockbau, die älteste von Europäern gebaute Kirche in Indien. Die Niederländer machten sie später zum protestantischen, die Briten zum anglikanischen Gotteshaus. In dem Bauwerk war ursprünglich Vasco da Gama begraben, bevor er nach Vidigueira in Portugal umgebettet wurde. Das Haus, in dem er starb, steht gleich nebenan, es ist heute eine Pension. Die altehrwürdige Kirche sieht von außen interessanter aus als von innen, wenn man von einem originellen Detail absieht: In einer Vitrine ist ein schwarz-weiß gestreifter Wimpel des brasilianischen Fußballclubs Vasco da Gama ausgestellt, dessen Repräsentanten offensichtlich einmal zu Besuch hier waren.
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Oben links: Der niederländische Friedhof. Oben rechts: Die Franziskus-Kirche. Unten links: Vasco da Gamas ehemaliges Grab. Unten rechts: Das Haus, in dem Vasco da Gama starb.
Nach dem Kirchenbesuch gehen wir wieder zurück zum Meer. Hier sieht man die Hauptattraktion des Viertels. Zu Zeiten Kublai Khans haben chinesische Händler die Cheena Vala eingeführt, die bis heute im Einsatz sind: Fischernetze, die an langen Holzstangen befestigt sind und mit Flaschenzügen bedient werden. Etwa von Dezember bis Februar fischt man an dieser Stelle tatsächlich damit, zu den anderen Zeiten sind andere Fischfangmethoden einträglicher. Direkt bei den Netzen findet zu allen Jahreszeiten der Fischmarkt statt. Wenn man will, kann man sich einen hier gekauften Fisch an einem der nahe gelegenen Stände zubereiten lassen.
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Links: Die chinesischen Fischernetze. Mitte: Der kleine Fischmarkt. Rechts: Der Maharadscha-Palast ("Dutch Palace").
Wir steigen ins Auto und fahren eine kurze Strecke nach Mattancherry. Hier befindet sich der Palast des ehemaligen Maharadschas von Cochin. Im Inneren befinden sich teilweise gut erhaltene, sehr schöne Wandmalereien, die Szenen der hinduistischen Mythologie zeigen. Bedauerlicherweise ist das Fotografieren strengstens verboten. Neben den Gemälden werden Kleidungsstücke, Waffen, Sänften, Möbel und Gebrauchsgegenstände der Maharadschas ausgestellt. Schließlich fahren wir zum letzten Programmpunkt des Tages, ins Judenviertel. Einst gab es viele jüdische Familien in Mattancherry, heute steht die jüdische Gemeinde kurz vor dem Aussterben, da viele ehemalige Bewohner nach Israel emigriert sind. Wir besichtigen die Synagoge (hierhin darf man den Fotoapparat gar nicht erst mitnehmen, da es schon öfter Bombendrohungen gab). Finden hier Feste statt, müssen, um die vorgeschriebene Mindestanzahl von Gläubigen zu erreichen, Juden aus anderen Ländern eingeladen werden. Trotzdem wird die Synagoge ständig in Ordnung gehalten und man lässt die eine Öllampe, welche die ständige Präsenz Gottes symbolisiert, niemals ausgehen. Nachdem wir die Synagoge verlassen haben, schlendern wir ein Stück durch das Judenviertel mit seinen vielen Antiquitätengeschäften (in denen ich zur großen Enttäuschung meiner Begleiterin nichts einkaufen möchte), dann geht es zurück zum Parkplatz. Man versucht, mir weitere Programmpunkte zu verkaufen, hat aber bis zum Abend nichts Verlockendes anzubieten, also lasse ich mich zurück ins Hotel fahren.
Das Herumlaufen hat mich hungrig gemacht. Nur etwa 300 Meter von meiner Bleibe entfernt befindet sich ein weiteres Hotel mit angeschlossenem Restaurant, namens "The Old Courtyard". Es handelt sich um ein altes portugiesisches Gebäude, das um einen schönen Patio mit Torbögen gebaut wurde. Im Innenhof befindet sich das Restaurant, an den Außenseiten im ersten Stock liegen die Zimmer. Ich möchte ein typisches lokales Gericht essen, was liegt näher, als eines zu wählen, das zum Ambiente passt? Ich esse Schweinefleisch-Vindaloo, eine Spezialität der Malabarküste, wenn auch eine eingewanderte. Die Portugiesen brachten die Sitte mit, Fleischstücke in Wein und Knoblauch zu marinieren, die Leute hier kreierten eine scharfe Sauce mit vielen Gewürzen dazu, servierten als Beilage Reis und wandelten "vinha de alhos" in Vindaloo um. Das Resultat ist köstlich. Ganz gegen meine sonstige Gewohnheit gönne ich mir ein Dessert, warme Bananen mit Eiscreme, trinke eine Fresh Lemon Soda und einen Masala-Tee, werde aber dennoch nur moderate 520 Rupien los. Anschließend gehe ich den kurzen Weg zurück ins Hotel, denn über die Mittagsstunden ist selbst mir das Klima etwas zu heiß und feucht.
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Impressionen aus Fort Cochin und Mattancherry. Mitte links: Männerfantasien. Mitte rechts: Die größten Schätze der Malabarküste. Unten rechts: Man beachte, was auf dem Balkon links oben steht.
Am späten Nachmittag mache ich einen Ausflug ins Hafenviertel und nach Mattancherry. Ich folge einfach der Straße, die am Meer entlang führt, bis ich nach etwa vier Kilometern im Judenviertel ankomme. Inzwischen ist es stark bewölkt und es tröpfelt hin und wieder ganz leicht. Da in Kochi heute ein lokaler Feiertag ist, herrscht ziemlich viel Betrieb in den Straßen, viele Läden haben allerdings geschlossen. Bei vielen der Geschäfte muss man gar nicht auf die Schilder sehen, um zu wissen, was sie verkaufen. Der Geruch nach Zimt, Nelken, Kardamom und Pfeffer dringt bis auf die Straße. Hier fühle ich mich in meinem Element. Gewürze sind meine Leidenschaft. Insbesondere bei Zimt und Kardamom konnte ich nie verstehen, wieso man sie in Europa nur für Süßspeisen verwendet. Sie geben gerade Fleisch- und Gemüsegerichten einen richtigen Kick. Die Inder wissen das, deswegen fehlen diese Gewürze in kaum einer Currymischung.
Nach zwei Stunden komme ich zurück in mein Hotel, ohne nass geworden zu sein. Ich habe mir schon ein Restaurant für den Abend ausgesucht, vorausgesetzt, das Wetter bleibt trocken.
Gegen 19:00 Uhr gehe ich zum Abendessen. Es tröpfelt vor sich hin, obwohl es nur leicht bewölkt zu sein scheint, sogar der Mond ist ab und zu sichtbar. Zum Glück hat das Restaurant im Fort House Hotel überdachte Plätze. Ich esse Pakoras, also im Teigmantel frittiertes Gemüse, dann Paal Fish Curry. Der Fisch wird hierfür mit Kokosmilch, grünen Curry-Blättern, Tomaten, Korianderblättern und verschiedenen Gewürzen, darunter viel Curcuma, geschmort und schmeckt sehr gut. Ich trinke dazu zwei Salted Lemon Sodas. Das einzig Negative ist der etwas zu freundliche Kellner, der unbedingt mein bester Freund sein will und zu viel Konversation betreibt, insbesondere zu viele Fragen stellt. Zum Glück kommen bald mehrere Gäste, so dass er abgelenkt wird. Die Rechnung beläuft sich auf 470 Rupien. Nach dem Essen gehe ich längere Zeit in Fort Cochin spazieren. Der Regen hat inzwischen völlig aufgehört. Ich lande schließlich in einer Backpacker-Bar, in der ich zwei kühle Kingfisher-Bier zu mir nehme, und beschließe so diesen Tag. Morgen werde ich zu neuen Abenteuern aufbrechen.