Aurangabad, 9.11.2010
Als ich heute Morgen aus dem Fenster sehe, ist der Himmel, wohin man auch blickt, mit dunklen Wolken bedeckt, es ist jedoch trocken. Pünktlich um 8:30 Uhr holen mich Sanjay und der Fahrer zur Tour nach Ajanta ab. Zunächst führt uns der Weg in die Innenstadt von Aurangabad, und ich stelle dabei erstens fest, dass mein Hotel viel weiter in der Prärie liegt, als ursprünglich angenommen, und zweitens, wie trostlos die Stadt aussieht. Mit 1,5 Millionen Einwohnern gilt das heruntergekommene Nest für indische Verhältnisse als Kleinstadt.
Bald lassen wir Aurangabad hinter uns und fahren etwa 100 Kilometer weit über eine Landstraße, die sich größtenteils in einem ordentlichen Zustand befindet, teilweise aber eine von tiefen Schlaglöchern durchsetzte Rüttelpiste ist. Die Fahrt kann man nur als halsbrecherisch bezeichnen. Es wird selbst vor Kurven überholt, man hupt dann, um den möglicherweise vorhandenen Gegenverkehr zu warnen. Die Anzahl der Fahrspuren ist situationsabhängig, ein Ochsengespann wird von einem Moped, dieses von einem Dreiradtaxi, dieses wiederum von einem Auto überholt, sofern nicht plötzlich ein Lastwagen entgegenkommt, der gerade einer Ziegenherde ausweicht. Irgendwie schaffen es die indischen Fahrer meistens, die Gesetze der Physik so auszureizen, dass wie durch ein Wunder nichts passiert. Nur ab und zu sieht man tote Kühe am Straßenrand liegen. Vielleicht verlassen sich diese, vor allem nachts, etwas zu sehr auf ihre Heiligkeit, wenn die buntbemalten Lastwagen heranrauschen.

Von Mumbai bis Ajanta steigt die fruchtbare Landschaft vulkanischen Ursprungs in kleinen Stufen immer mehr an, um dann wieder steil abzufallen. Einer dieser Steilhänge ist unser Ziel. Nach einer kurzen Teepause fahren wir, bei inzwischen schönem Wetter, die letzten paar Kilometer bis zu einem von vielen Souvenirständen gesäumten Parkplatz. Von dort aus müssen wir mit einem klapprigen Bus eine Serpentinenstraße hinauffahren und kommen schließlich an einem hufeisenförmigen, senkrecht abfallenden Hang an, in dem sich 28 buddhistische Höhlentempel aus dem zweiten bis siebten Jahrhundert unserer Zeitrechnung befinden. Schon kurz nach der Fertigstellung der letzten Höhle geriet die Anlage in Vergessenheit und wurde erst 1819 durch eine britische Jagdgesellschaft zufällig wiederentdeckt.
Von außen bieten die Tempel, mit Ausnahme der schönen Lage in einer pittoresken Berglandschaft, wenig Spektakuläres, dafür gibt es im Inneren der meisten Höhlen außerordentlich schöne, teilweise gut erhaltene Tempera-Wandmalereien zu sehen, die einen Besuch zu einem wirklichen Erlebnis machen. Leider, wenn auch zur Erhaltung der Kunstschätze dringend erforderlich, ist das Fotografieren mit Blitzlicht streng verboten, ich hoffe aber trotzdem, zumindest einige wenige Erinnerungen an diese Kunstwerke festhalten zu können.
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Die Höhlentempel von Ajanta. Unten links: Für den Mahayana-Buddhismus typische Buddhastatue. Unten mitte: Der Hinayana-Buddhismus kennt nur Stupas ohne bildliche Darstellung Buddhas.
In den älteren Höhlen sieht man Sakralkunst des Hinayana-Buddhismus (nur Stupas, keine Darstellungen Buddhas), in den neueren die des Mahayana-Buddhismus (Statuen, die Buddha, Bodhisattvas und mythologische Gestalten abbilden). In den Wandmalereien beider Richtungen kann man außer bekannten Szenen des buddhistischen Kanons lebendige Darstellungen des damaligen täglichen Lebens sehen. Die letzte Höhle wurde aufgegeben, als die Arbeiten gerade im Gange waren. Dadurch ist sie sehr interessant, da sie eine Vorstellung darüber vermittelt, auf welche Art und Weise die übrigen Höhlen gefertigt wurden. Nach über zwei Stunden an diesem überaus sehenswerten Ort treten wir den Rückweg an.
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Die Höhlentempel von Ajanta. Unten links: Liegender Buddha.
Zunächst legen wir in demselben Lokal, in dem wir vormittags Tee getrunken hatten, eine Essenspause ein. Für mich gibt es eine lokale Brotspezialität und ein grünes Currygericht mit Cashew-Nüssen, dazu eine Salted Lemon Soda. Sanjay und der Fahrer essen vermutlich irgendwo getrennt von mir. Nach dem Essen beginnt wieder eine abenteuerliche Fahrt durch die Vulkanebenen, auf denen hauptsächlich Baumwolle angebaut wird. Je mehr wir uns Aurangabad nähern, desto dichter und dunkler werden die Wolken. Als wir in der Stadt ankommen, ist der große Regen schon durchgezogen. Nass sieht die Stadt noch schäbiger aus. Gegen 16:30 Uhr erreichen wir schließlich mein Hotel. Von Sanjay heißt es Abschied nehmen, der Fahrer wird mich morgen früh zum Flughafen bringen.
Nach dem zweifachen Kurzbesuch in Aurangabad habe ich mich damit abgefunden, zum dritten Mal im Hotelrestaurant zu Abend zu essen. Es gibt heute Hühnerschlegel mit einer Sauce, die grünen Kardamom und Pfeffer enthält, Butter-Naan (Fladenbrot) mit schwarzem Sesam und zwei Kingfisher-Bier. So gestärkt beschließe ich den Tag. Die morgige Weiterreise wird sicher anstrengend genug.