Havelock Island, 21.11.2010
Trotz des Monsuns zeigt sich Chennai heute von seiner heiteren Seite. Das gleiche gilt für den Verkehr, es gibt an diesem Sonntagmorgen keinen Stau. Der Fahrer ist schon um 7:45 Uhr startklar, also eine Viertelstunde früher als vereinbart, somit kommt am Flughafen kein Stress auf. Der Airbus A320 der Kingfisher Airlines ist fast pünktlich und bringt mich innerhalb von etwa 100 Minuten in die Hauptstadt der Andamanen und Nikobaren, Port Blair. Dort ist der Himmel fast wolkenlos, so darf es gerne in den nächsten Tagen bleiben.
Schon beim Betreten des Flughafengebäudes muss ich ein Formular ausfüllen und meinen Reisepass abgeben. Nach etwa zehn Minuten und verschiedenen, gemächlich ausgeführten behördlichen Vorgängen erhalte ich meinen Pass, der mit einem zusätzlichen Stempel versehen wurde, zurück und bekomme das eigentlich Wichtige, den Restricted Area Permit, der mir den maximal einmonatigen Aufenthalt erlaubt, sofern ich nicht gegen eine Reihe von Regeln verstoße, die mir ebenfalls ausgehändigt werden. Sie beziehen sich auf den Schutz indigener Völker sowie der Tier- und Pflanzenwelt. Es ist genau vermerkt, welche Inseln ich besuchen darf.

Als die Einreiseformalitäten erledigt sind, fährt mein Koffer schon auf dem Band spazieren und mein Empfangskomitee wartet bereits. Ich werde ein paar Kilometer über eine hügelige Straße durch Port Blair gefahren und an einer Fährstation abgesetzt. Dort wird für mich ein Ticket ausgestellt. Zusammen mit den sechs oder sieben anderen Leuten, die im Resort "Barefoot at Havelock" logieren, wird mir jeweils eine Papiertüte mit Mineralwasser, Knabberzeug und Erfrischungstüchern übergeben. Ich bekomme zusätzlich ein Päckchen mit Post an das Resort ausgehändigt. Offenbar finden mich die Leute hier vertrauenswürdiger als das Sicherheitspersonal am Frankfurter Flughafen.
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An der Fährstation in Port Blair.
Nach etwa einer Stunde Wartezeit besteige ich mit vielen anderen Passagieren die Fähre nach Havelock Island. Der Innenraum des Schiffes ist, wie so oft in Asien, übertrieben stark klimatisiert, gerade die einheimischen Passagiere hätten es aber gerne noch stärker, wie man an ihrer Gestik leicht erkennen kann. Die ruhige Fahrt dauert etwa zweieinhalb Stunden. Besonders spannende Aussichten gibt es dabei nicht, nur ein winziges, nicht besonders klares Bullauge erlaubt mir zu erkennen, dass das Wetter schön und die See weiterhin ruhig ist.
Nach der Ankunft und dem Verlassen der Fähre muss ich mich in einer kleinen Polizeistation registrieren lassen. Name, Passdaten und die Nummer der speziellen Aufenthaltserlaubnis werden in ein Buch eingetragen. Danach darf ich den Bereich der Anlegestelle verlassen und laufe direkt zwei Angestellten des Resorts in die Arme, die gekommen sind, um mich abzuholen. Mit einem Geländewagen wollen wir gleich losfahren. Es bleibt erst einmal beim Wollen, wir haben nämlich einen platten Reifen. Die beiden qualifizieren sich fast schon für die Boxengasse der Formel 1, der Reifenwechsel geht in Windeseile vonstatten.
Als wir um 16:30 Uhr losfahren, dämmert es bereits. Im gesamten indischen Staatsgebiet gilt dieselbe Uhrzeit, die auf 82,5° östliche Länge bezogen ist. Hier, nahe dem 93. Längengrad, geht die Sonne um diese Jahreszeit schon etwa um 16:45 Uhr unter und gegen 5:20 Uhr wieder auf. Die Fahrt führt nach kurzer Zeit an einem lebhaften Dorfplatz vorbei, dann durch Reisfelder, schließlich mitten durch fast unberührten Urwald. Das letzte Stück, beinahe schon im Dunkeln, fahren wir über einen Waldweg in der Nähe des Strandes. Schließlich komme ich am Ende der Welt an, im "Barefoot at Havelock" am Radhanagar Beach, auch Strand Nr. 7 genannt. Giorgio, der italienische Manager, begrüßt mich, nimmt die Post aus Port Blair entgegen und weist mich in die Uhrzeiten (Frühstück, Öffnungszeiten von Restaurant und Bar, etc.) sowie die sonstigen Eigenheiten des Resorts ein. Jede Hütte ist mit einer Taschenlampe ausgerüstet, die einerseits dazu dient, sich zurechtzufinden, andererseits dazu, Schlangen rechtzeitig zu sehen, falls diese den Weg kreuzen sollten.
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Meine Urwaldhütte.
Ich beziehe kurz darauf eine geräumige Hütte, die mich für vier Tage und fünf Nächte beherbergen wird. Die Gegend werde ich an diesem Abend nicht mehr erkunden, denn es ist stockdunkel und meine Abenteuerlust ist für heute erschöpft. Außerdem soll das Restaurant des Resorts alles andere als schlecht sein. Wie es bei der Nationalität des Besitzers nicht weiter verwunderlich ist, hat das Angebot eher eine mediterrane Note (was an sich ja sehr gut ist), aber kann man zu einem frischen, gegrillten Red Snapper-Filet "Nein" sagen? Ich nicht so ohne Weiteres. Es gibt Kartoffeln, Bohnen und Möhren sowie einen Salat dazu. Ein Kingfisher-Bier rundet das Mahl ab. Das alles kostet mich 650 Rupien. Nach dem Essen setze ich mich in der sternenklaren Nacht vor meine Hütte, sehe Glühwürmchen, höre mehrere nachtaktive Vögel, zirpende Grillen und im Hintergrund leise das Meer. Mehr bedarf es in diesem Moment nicht, um mit sich und der Welt im Reinen zu sein. Morgen werde ich die Gegend rings um den Strand Nr. 7 genauer erkunden.