Yangon, 29.11.2003

Heute ist unser letzter Tag in Myanmar und abgesehen von ein paar Wolken ist es ein genauso schöner, sonniger Tag wie alle Tage während unseres Aufenthaltes hier. Wir treffen uns morgens noch einmal mit Mi Mi. Wir nehmen uns ein Taxi und fahren zu einem Markt, oder besser gesagt zu einem Zwischending zwischen einem klassischen Basar und einem nicht fertig gebauten Kaufhaus. Hier gibt es auf engstem Raum in zwei Stockwerken wieder alle Schätze des Orients, man muß nur immer höllisch aufpassen, daß man nicht von einem der zahlreichen Lastenträger mit riesigen Säcken oder Kartons auf dem Kopf über den Haufen gerannt wird. Von Shampoo über Bier und Gewürze bis hin zu Kleidungsstücken und Schuhen ist wieder alles zu haben. Nachdem wir uns hier und in den benachbarten Straßen sattgesehen haben, fahren wir mit einem weiteren Taxi in die westliche Stadt zum Containerhafen. Auch dort befindet sich wieder ein riesiger Markt, in dem es allerdings ausschließlich Obst, Gemüse, Gewürze und Trockenfisch gibt. Alle Sinne sind dabei wieder einmal gefordert. Und auch hier muß man ständig den schwer bepackten Lastträgern ausweichen.

Yangoner Innenstadt Yangoner Innenstadt Marktszene

Links und Mitte: Innenstadt von Yangon. Rechts: Marktszene.

Als nächste Station fahren wir mit dem Taxi in ein großes, modernes, vollklimatisiertes Kaufhaus. Hier kann man sozusagen einen Blick in die Zukunft Myanmars werfen. In der mehrstöckigen Ladenpassage gibt es Kleidung, Schuhe und Kosmetika (teilweise echte westliche Marken, teilweise Imitate aus Thailand, die man auch direkt in Baht bezahlen kann. Auch ein Café im Mc Donald's-Stil gibt es hier, in dem vor allem Jugendliche aus reicheren Familien zu finden sind. Hier wird nur sehr selten Longyi getragen, sondern eher Cargo-Hosen. Statt Thanaka-Paste im Gesicht muß es hier schon echtes Make-up sein. Hier sehen die jungen Leute fast schon aus wie im Programm von MTV Asia. Auch ein Internet Café gibt es hier. Für 800 Kyats pro Stunde kann man E-Mails schreiben oder 3D-Ballerspiele auf Windows XP-Rechnern spielen. In einem Stockwerk gibt es auch einen Supermarkt, der ganz genauso aussieht, wie die Lebensmittelabteilung eines Kaufhauses bei uns. Nur die Computerkassen wollen noch nicht so richtig funktionieren.

In dieser Ladenpassage kann man so richtig sehen, welchen Weg das Land gehen würde, wenn es so könnte wie es wollte. Insgesamt gesehen haben wir hier aber eine winzige Enklave der Moderne in einem rückständigen Dritte Welt-Land. Nach diesem interessanten Besuch fahren wir noch zum Mittagessen in einem düsteren, heftig klimatisierten, chinesischen Restaurant, das zwar gutes Essen hat, aber schon eine ziemliche Touristenfalle ist. Das stört uns aber nicht weiter, denn wir konnten schon sehr tiefe Einblicke in das gesamte kulinarische Spektrum hier gewinnen und da wollen wir es am letzten Tag nicht noch einmal gewaltsam auf die Spitze treiben. Die Hähnchenröllchen mit Tongku-Pilzen, die Ente mit Zwiebeln in einer roten, pikanten Sauce, das gemischte, gebratene Gemüse und insbesondere das scharf-saure Schweinefleisch, das auf einer heißen Platte serviert wird, schmecken auch wirklich sehr gut. Ein paar Myanmar-Bier begleiten das ganze noch in den Magen und so können wir getrost ins Hotel zurück fahren.

In 2 1/2 Stunden, um 17.00 Uhr, wird uns Mi Mi zum allerletzten Akt abholen, zur Fahrt zum Flughafen und zum Abschied von diesem faszinierenden, wunderschönen Land im Dornröschenschlaf, das so tief in seinen jahrhundertealten Traditionen verwurzelt ist, in Teilen aber auch so gerne in die Moderne aufbrechen möchte. Hoffen wir, daß dieses Land, egal welchen Weg es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nehmen wird, viel von seinem ursprünglichen Charme hinüberretten kann, so daß es Besuchern, die vielleicht in 20 Jahren hierherkommen werden, tiefe Einblicke in das klassische Asien vergangener Zeiten bieten kann, obwohl möglichst viele Einheimische bis dahin ihr persönliches Lebensglück im Wohlstand gefunden haben mögen. Obwohl sich meine Hoffnung in Grenzen hält, wünsche ich mir, daß in diesem zauberhaften "Goldenen Land" das Experiment gelingt, das anderswo in Asien mißlungen ist. Solange diese Hoffnung noch besteht, gilt, was schon Rudyard Kipling geschrieben hat: "This is Burma, and it will be quite unlike any land you know about."