Havelock Island, 24.11.2010

Nach einer klaren Vollmondnacht ist es heute heiter bis wolkig auf meiner kleinen Andamaneninsel. Am Morgen erkunde ich wieder etwas den Urwald, finde einige schmale Pfade, die in dichtere Waldgebiete führen, streife etwas umher und lande schließlich auf einer kleinen Lichtung, auf der ein angeketteter Arbeitselefant steht. Diese Tiere sind wichtige Helfer im Urwald, da sie sich ihre Pfade selbst erzeugen können und sogar dort durchkommen, wo sonst nichts mehr geht. Im Südosten von Havelock gibt es eine kleine Station im Dschungel, in der die Tiere abgerichtet werden. Ansonsten ist die Südhälfte der Insel unberührt. Im Norden gibt es aus Bengalen eingewanderte Reisbauern, im Osten liegen einige Resorts und Tauchbasen und dann ist da noch im Westen der kleine Brückenkopf der Zivilisation, den ich kenne.

Urwaldspaziergang Urwaldspaziergang Urwaldspaziergang
Urwaldspaziergang Urwaldspaziergang Urwaldspaziergang

Urwaldspaziergang. Unten mitte: Ein Arbeitselefant.

Die Andamanen sind Pionierland, bei dessen Erschließung man auf halbem Weg stehen geblieben ist, weil man eingesehen hat, dass der Schutz der Natur und der Urbevölkerung Vorrang besitzt. Auf vielen der Inseln, sogar auf der Hauptinsel, auf der die Hauptstadt Port Blair liegt, gibt es Stämme, die bisher so gut wie keinen Kontakt zur Außenwelt hatten. Es ist dort schon vorgekommen, dass Leute von der einzigen großen Straße "falsch abgebogen" sind und von einem Pfeilhagel empfangen wurden. Das alles erinnert mich ein wenig an Geschichten aus dem Amazonasgebiet oder aus Neuguinea. Südlich der Andamanen befinden sich die Nikobaren. Diese Inseln sind Sperrzone, da sie komplett in der Hand der Ureinwohner sind, die nicht durch die oft zweifelhaften Segnungen der Zivilisation behelligt werden sollen.

Paradiesvögel Eine Spechtart

Vogelbeobachtung vor meiner Hütte. Links: Paradiesvögel. Rechts: Eine Spechtart.

Gerade das halb Erschlossene, Unfertige, dieser Kompromiss aus Neulandgewinnung und Zurückhaltung gegenüber Mensch und Natur macht die Andamanen in meinen Augen zu einer ungeheuer interessanten Region, weit über ein abgelegenes Strandgebiet hinaus. Man darf nach Sonnenuntergang nicht einmal einen Strandspaziergang machen, geschweige denn dort kampieren, da nachts seltene Schildkröten an Land kommen und ihre Eier eingraben. Jetzt allerdings ist heller Tag und ich nehme am weißen, feinkörnigen Sandstrand ein Sonnenbad und schwimme anschließend im kristallklaren, warmen Wasser des Golfes von Bengalen. Danach mache ich eine Pause, beobachte Vögel vor meiner Urwaldhütte, unter anderem eine Art Paradiesvögel, und höre den Geräuschen des Urwaldes zu, in die sich das leise Rauschen des Meeres im Hintergrund mischt. Ich befinde mich schon in einer ganz speziellen Gegend.

Abend am Strand Abend am Strand Abend am Strand

Abend am Strand. Rechts: Ach ja, Sajeev war übrigens auch hier.

Mit dem Fotografieren des Sonnenunterganges wird es wieder einmal nichts, da über der Hauptinsel dicke Wolken hängen. Vielleicht bittet ein Stamm der Ureinwohner jeden Tag mit einem jahrhundertealten Ritual Regen herbei. Bald ist Zeit für das Abendessen. Ich esse in indischen Gewürzen marinierte, im Tandoor zubereitete Tiger Prawns mit Knoblauch-Butter-Naan und trinke dazu eine Salted Lemon Soda (alles zusammen 1150 Rupien). Die Krustentiere schmecken einfach traumhaft. Die Gewürze überdecken den feinen Eigengeschmack nicht, sondern heben ihn hervor. Ein großes Lob an den Küchenchef. Etwas später lasse ich den Tag mit zwei Kingfisher-Bier an der Bar ausklingen.